Eine lächelnde Frau mit offenem Haar, das über die Schulter fällt, im Freien

„Gesundheit beim Wort genommen“- 4 Fragen an Mariela Jordanova-Hudetz

In der Reihe „Gesundheit beim Wort genommen“ stellen wir Fragen an Menschen, die sich für die Gesundheit der Wiener*innen einsetzen. Diesmal zu Wort kommt Mag.a Mariela Jordanova-Hudetz. Sie leitet das Ambulatorium AmberMed.

Dort erhalten Menschen ohne Versicherungsschutz ambulant-medizinische Versorgung, soziale Beratung und Medikamentenhilfe von einem ehrenamtlichen Team.

Frau Jordanova-Hudetz, welche Gruppen sind besonders von fehlendem Krankenversicherungsschutz in Wien betroffen beziehungsweise was kennzeichnet sie?

Jordanova-Hudetz: Grundsätzlich verfügt Österreich über ein ausgezeichnetes Versicherungssystem, nicht zuletzt dank der Versicherungspflicht. Damit soll sichergestellt werden, dass niemand in Österreich ohne medizinische Versorgung bleibt. Die Realität zeichnet freilich ein anderes Bild – Armutsmigrant*innen und Asylwerber*innen mit negativem Bescheid haben oftmals sehr wenig Möglichkeit, auf regulärem Weg versichert zu werden. Die Situation bei Auslandsösterreicher*innen und Student*innen sieht dann wieder anders aus – hier schließen wir bei AmberMed die Versicherungslücken und sehen uns als eine Art Überbrückung, bis die Menschen wieder im Sozialsystem angekommen sind. Gemeinsam ist all diesen Gruppen die Scham, es nicht geschafft zu haben und das Gefühl, versagt zu haben, und natürlich die Angst vor dem Krankwerden und den damit verbundenen Kosten.

Wer kommt zu Ihnen?

Jordanova-Hudetz: Zu uns kommen oft junge Familien, die in Österreich eine Zukunft aufbauen wollen. Ihnen ist es wichtig, dass ihre Kinder in den Kindergarten oder zur Schule gehen. Die Eltern versuchen dann gemeinsam mit ihren Kindern Deutsch zu lernen, um so bald wie möglich arbeiten zu können. Sie haben keinerlei Ansprüche auf Sozialleistungen in Österreich und sind zum Teil akut armutsgefährdet oder leben unter der Armutsgrenze. Ihr soziales Umfeld ist aufgrund der Sprachbarriere oft sehr klein.

Im letzten Jahr suchten 2.419 Patient*innen AmberMed auf. Die Hauptherkunftsländer waren Serbien (486), China (238) und Österreich (204). 2 unserer Schwerpunkte sind die Betreuung und Behandlung von werdenden Müttern sowie Frauen und ihren Kindern. Unsere Ärzt*innen legen großen Wert auf präventive Medizin. Auch Asylwerber*innen mit negativem Bescheid finden oft den Weg zu uns.

Welche gesundheitlichen und sozialen Probleme stehen bei den Klient*innen von AmberMed im Vordergrund?

Jordanova-Hudetz: Es wird wahrscheinlich wenig überraschend sein, dass unsere Patient*innen und Klient*innen genau die gleichen gesundheitlichen Probleme haben, wie Menschen, die eine Krankenversicherung haben. Unsere Patient*innen leiden vielleicht noch öfter an psychischen Erkrankungen wie Depression, bedingt durch das Leben, das sie oft führen müssen, und dem damit verbundenen Stress und die ständige Angst. Chronische Erkrankungen wie Diabetes und Hypertonie sind keine Seltenheit bei AmberMed. Wir haben auch oft Arbeitsunfälle, bei denen die Patient*innen aus Angst vor den Kosten und rechtlichen Folgen für Arbeitgeber*innen gar nicht ins Krankenhaus gehen. Kompliziert wird es dann, wenn nicht-versicherte Menschen schwere Diagnosen erhalten, die mit langwierigen Behandlungen verbunden sind, wie zum Beispiel Krebsdiagnosen. Da sind selbst uns oft die Hände gebunden und diese Schicksale lassen einen nicht so schnell los.

Wo müsste man aus Ihrer Sicht ansetzen, damit alle Menschen in Wien Zugang zu Gesundheitsversorgung haben?

Jordanova-Hudetz: Die Idealvorstellung wäre eine basismedizinische Versorgung für alle Menschen – also ein Land und ein System, in dem Einrichtungen wie AmberMed nicht mehr notwendig sind. Dass das zum jetzigen Zeitpunkt illusorisch ist, ist uns klar. Aber wir können einen 1. Schritt in die richtige Richtung setzen, indem wir etwa Kinder in Österreich nicht mehr von der medizinischen Versorgung ausschließen, weil ihre Eltern nicht versichert sind. Hier bräuchte es eine grundlegende staatliche Versicherung für alle Kinder, die in Österreich leben und hier ihre Zukunft gestalten möchten.

AmberMed ist ein Kooperationsprojekt vom Diakonie Flüchtlingsdienst und dem Österreichischen Roten Kreuz.