„Gesundheit beim Wort genommen“- Fünf Fragen an Karin Korn
In der Reihe „Gesundheit beim Wort genommen“ stellen wir Fragen an Menschen, die sich für die Gesundheit der Wienerinnen und Wiener einsetzen. Diesmal zu Wort kommt Mag.a Karin Korn, Klinische und Gesundheitspsychologin sowie Arbeits- und Organisationspsychologin, verantwortlich für das Strategische Gesundheitsmanagement bei den Wiener Stadtwerken.
Wie kann eine gesunde Unternehmenskultur ausschauen?
Korn: Eine gesunde und resiliente Organisations- und Unternehmenskultur wird immer wichtiger. Wesentliche Faktoren dabei sind Sinn und Werte, die als Orientierung dienen. Menschen suchen Sinn im eigenen Handeln. Die Frage nach dem ‚Warum?‘ beeinflusst die Leistungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter*innen. Das kennen wir aus der positiven Psychologie.
Ein stärkeres Engagement der Mitarbeiter*innen hängt mit dem wahrgenommenen Sinn und Zweck der Tätigkeit zusammen.
Autonomie und Wertschätzung haben Einfluss auf die Motivation und Gesundheit der Mitarbeiter*innen. Mehr Freiraum bedeutet mehr Vertrauen und das führt wiederum zu einer gefühlten Wertschätzung. Lob und Anerkennung für Leistungen fördern die Gesundheit und leisten damit gleichzeitig einen Beitrag für eine gesunde Unternehmenskultur. Vertrauen ist hierbei der Schlüsselfaktor. Zukünftig wird Führen mittels Macht und Kontrolle weniger möglich sein. Selbstbestimmtes Arbeiten wird mehr gelebt werden. Positive Führung gehört dazu und die Möglichkeit der Partizipation in Entscheidungsprozessen.
Die Unternehmensgröße ist dabei zweitrangig, denn eine gesunde Unternehmenskultur ist in kleineren und größeren Unternehmen möglich. Mitunter kann in größeren Unternehmen der Kulturwandel länger dauern. Unabhängig von der Unternehmensgröße kann die Resilienz eines Unternehmens näher betrachtet werden. Dabei sind Fragen nach dem Bestehen von äußeren Schutzfaktoren bestimmend, beispielsweise, ob ausreichend für Pausen und Regenerationsphasen bei den Mitarbeiter*innen gesorgt wird, oder ob genügend Raum für eigene Ideen und Kreativität möglich gemacht wird. Genauso wichtig ist es, zu hinterfragen, wie realistisch Leistungs- und Zielvorgaben formuliert sind und wie konstruktive Fehler- und Lernkultur gestaltet sind. Oder wie es um die Vorbildfunktion der Führungskraft bestellt ist. Bei all diesen Fragen werden die strukturellen Rahmenbedingungen einer Organisation in den Mittelpunkt gestellt.
Veränderung kann auch mit Verunsicherung der Belegschaft einhergehen. Wie kann dem begegnet werden?
Korn: Es braucht ähnliche Rahmenbedingungen wie bei der gesunden Unternehmenskultur, allen voran Vertrauen und Transparenz. Veränderungen können verunsichern, aber ihnen kann auch mit Begleitung und Change-Beratung begegnet werden. Ausgangspunkt sind die Ressourcen der Mitarbeiter*innen. Idealerweise sollten gesundheitsförderliche Ressourcen gestärkt werden, bevor Wandel oder Veränderungen in Organisationen stattfinden. Das federt Unsicherheiten ab und stärkt das Commitment der Mitarbeiter*innen. Die Bereitschaft, Veränderungen anzunehmen, ist dann größer, wenn die persönlichen Schutzfaktoren gestärkt sind. Resilienz, Agilität, Kommunikation und Lösungsorientierung sind dabei wichtige Faktoren.
Wenn es bei Veränderungsprozessen, zum Beispiel der digitalen Transformation, Umbrüche gibt, braucht es neue partizipative Formen der Zusammenarbeit, auch ein „Führen von unten“ und damit einen Wandel von Führungswelten.
Welche Rolle spielt Diversität im Gesundheitsmanagement?
Korn: Diversität spielt eine sehr große Rolle! Die Diversitätsdimensionen (Geschlecht, Alter, sexuelle Orientierung, race, Behinderungen) haben einen großen Einfluss, wenn Arbeit partizipativ, aber auch zielgruppenspezifisch und zielgruppengenau gestaltet sein soll. Einerseits gilt es im Betrieb die inneren Dimensionen zu betrachten. Auf der anderen Seite sollten Maßnahmen passgenau auf der Verhaltens- und Verhältnisebene umgesetzt werden. Dabei ist Führung relevant.
Wenn wir etwa an Alter und Generationen denken, können altersgerechte Arbeitskarrieren ein Thema sein. Oder beim Aspekt Nationalität stellt sich auch die Frage nach der verwendeten Sprache. Damit verbunden sind Fragen nach dem kulturellen Background und der ethnischen Herkunft. Diese Faktoren sind schon bei Erhebungen – wenn es darum geht, welche Personen Zugang zu Fragebögen haben -, aber auch bei der Umsetzung und Evaluation von Gesundheitsförderungsmaßnahmen zentral. Es zeigt sich, dass dabei die Erstsprache essenziell ist. Sprache ist mehr als Zugehörigkeit, denn in der Herzenssprache gelingt es besser Bedarfe, Ressourcen und Belastungen zu äußern.
Was ist für Sie persönlich der größte Benefit von Diversität im Betrieb?
Korn: Die Vielfalt in einem Betrieb bildet auch die Lebensrealität ab. Wenn wir als Beispiel Wien anschauen, dann ist es ein Vorteil, wenn die Vielfalt der Wiener Bevölkerung auch in Unternehmen abgebildet ist.
Dabei ist eine Konzentration auf einzelne Dimensionen und eine getrennte Betrachtung wenig sinnvoll. Intersektionalität und Mehrdimensionalität sind Voraussetzung für ein ganzheitliches Diversitätsmanagement. Wenn der Fokus nicht mehr auf mehreren (Nicht-)Zugehörigkeiten, sondern auf einer vernetzten Sichtweise verschiedener Dimensionen liegen würde, dann wäre das der größte Benefit für Betriebe.
Welchen Einfluss hat(te) Corona auf die betriebliche Gesundheitsförderung?
Korn: Corona beschleunigt neue Arbeitsformen wie mobiles Arbeiten, Teleworking und Homeoffice für Berufsgruppen, wo diese Umstellungen möglich sind. Dabei sprechen wir vor allem von Vertrauensarbeitszeit. Gleichzeitig gehen diese Veränderungen auch mit den Herausforderungen der Digitalisierung Hand in Hand. Selbstmanagement und Zeitmanagement treten in den Vordergrund. Eine Entgrenzung von Arbeits- und Privatleben bewirkt Mehrfachbelastung und Vereinbarkeitsprobleme, von denen Frauen mehr betroffen sind.
Mittlerweile zeigen Studien, die sich mit Erholung beschäftigen, dass Homeoffice mit Schlafstörungen und mehr akuten Stress einhergeht.
Viele Berufsgruppen müssen aber für ihre Arbeit vor Ort sein (Gesundheitsbereich, Versorgung des täglichen Bedarfs, Reinigung et cetera). Daher hängt der coronabezogene Einfluss davon ab, von welchem Punkt die jeweilige Berufsgruppe gestartet ist. Dennoch birgt Digitalisierung aufgrund der schnelleren Informationsmöglichkeiten und der verstärkten Telekommunikation die Gefahr von Überengagement und Erschöpfung. Die Informationsüberlastung hat eine neue Dimension angenommen.